hassan rohanis

 

Irans Präsident Hassan Rohani hat hundert Tage nach der Übernahme der Regierung in einem Bericht an das Volk über die Wirtschaftssituation des Landes folgende Fakten genannt: Die Inflation liegt bei über vierzig Prozent, das negative Wirtschaftswachstum bei 5,4 Prozent, die Schatzkammer ist leer, die Liste der Staatsschulden geht ins Unermessliche, der Druck durch ausländische Embargos hält an.

Rohanis Bericht enthielt eine einfache und deutliche, wenn auch versteckte Botschaft: Ihr dürft keine großen Erwartungen an mich haben. Trotz allem betonte er am Ende seiner Erklärung: „Ich sehe eine helle Zukunft.“

Noch erstaunlicher waren die Worte, die Rafsandschani, der Ratsvorsitzende für das Landeswohl, einige Monate zuvor verlauten ließ. Nachdem seine Qualifikation für eine Kandidatur zur Präsidentenwahl nicht bestätigt worden war, sagte er bei der Abschiedszeremonie vor seinen Wahlhelfern: „Iran war ein hochgeschätztes Land; ich habe vor der Revolution sämtliche Länder in Europa mit dem Auto besucht; wenn ich die Grenzen passieren wollte, brauchte ich nur meinen Pass vorzuweisen und passierte die Grenze; heute herrschen ganz andere Sitten.“

Ein Schlüssel, der nicht schließt

An anderer Stelle seiner Rede sagte er: „Es ist uns kein Geld mehr geblieben, selbst wenn, kann es nicht ins Landesinnere transportiert werden. Wir haben unsere Devisen den Chinesen gegeben, die sie gegen eine Gebühr in Yuan umgetauscht haben und meinten, dass sie im Gegenzug nur Waren liefern könnten, jedoch nur solche, die sie selbst bestimmten. Mit den Pflanzengiften, die sie uns geliefert haben, sind sämtliche Erträge aus der Landwirtschaft der letzten zwei Jahre geschrumpft. Und nun stellen Sie sich einmal vor, was die Kranken erleiden müssen, die chinesische Arznei zu sich nehmen.“

Rohani war mit dem Spruch „Umsicht und Hoffnung“ in den Wahlkampf gezogen. In einer seiner Wahlreden zeigte er der anwesenden Schar einen großen Schlüssel, den ihm einige seiner Anhänger geschenkt hatten: „Mit diesem Schlüssel werde ich alle Türen öffnen.“ Aber was ist tatsächlich geschehen, nachdem Rohani die Wahl gewonnen hatte? Hat er von seinem Schlüssel Gebrauch gemacht?

Fünf Monate nach Rohanis Einzug in das Büro des Staatspräsidenten stehen die iranischen Schriftsteller immer noch vor verschlossenen Türen. Die schwarze Liste der Schriftsteller ist eine Realität, selbst wenn der Präsident in seinem Bericht nach hunderttägiger Amtszeit verkündet hat: „Wir haben Schriftsteller mit ,verbotener Feder‘ in Schriftsteller mit ,schneller Feder‘ verwandelt.“ Aber das entspricht nicht der Wahrheit, wie sogar ein Minister indirekt zugibt, wenn er sagt: „Einigen Schriftstellern wurde in der letzten Legislaturperiode angekündigt, ihre Arbeit würde veröffentlicht; es ist der Wunsch des Präsidenten, dem Fall der verbotenen Schriftsteller nachzugehen.“

 

Einem Eingeständnis der staatlichen Zeitung „Iran“ zufolge ging es mit der Druckindustrie in der vorangegangenen Regierungszeit so weit bergab, dass viele Druckereien ihren Betrieb einstellen mussten und ein Teil auch dieses Marktes an chinesische Verleger ging. Solche Fälle häufen sich und deshalb mögen sich viele Iraner mittlerweile fragen, wenn sie schon sich selbst, ihr Haus sowie ihr Hab und Gut einem anderen zur Verfügung stellen sollten, warum dieser andere dann ausgerechnet ein Chinese oder ein Russe sein sollte.

Dabei hatten die Flitterwochen der Regierung Rohani mit den Kulturschaffenden zunächst die größten Hoffnungen geweckt. Unter dem Freudengeschrei aller Beteiligten angesichts des Regierungswechsels war überall die Rede von der Weisheit der Schriftsteller und Künstler und auch von der Reife und Wachsamkeit des Volkes. Deshalb schien klar zu sein, dass unter diesen Umständen die Zensur der Bücher eine unnötige und illegitime Maßnahme sei und demzufolge auch abgeschafft würde. Die Kulturpolitik von Ahmadineschad wurde im Nachhinein heftig kritisiert, sogar von einem Minister, der spöttisch bemerkte, dass die Vorgängerregierung nicht einmal dem Koran eine Druckgenehmigung erteilt hätte. Ein anderer Amtsträger sagte: „Kultur kann sich nicht in Dunkelkammern und auf der Fläche von Gewächshäusern verbreiten.“ Eines der Wunder iranischer Regierungen ist, dass sie nichts gegen eine Kritik der herrschenden Zustände haben - sie muss nur ihr Monopol bleiben.